Selbstliebe, zu sich stehen, zu allem. Wer man ist, was man erlebt und getan hat. Einfach sein, wer man ist, ohne Erwartungen und allen gerecht werden zu müssen. Den Eltern, seinen Freunden, den Mitarbeitern, der Gesellschaft. Als Menschen in einer Gesellschaft, wie wir hier leben, werden wir konditioniert, eingestuft und bewertet. Wir lernen, was richtig und falsch ist. Was sich gehört, was männlich und was weiblich ist. Minderheiten gehören nicht zur Norm. Meinungen, Haltungen, Ängste, Erwartungen und gegebene Strukturen verurteilen Menschen, stecken sie in Schubladen. Was nicht der Norm entspricht, hat automatisch weniger Wert. Unnatürlich, abnormal, halt eine Minderheit. Als Individuum in einer Masse, in der mehrheitlich so gedacht wird, kann es eine Herausforderung sein, sich selbst zu sein. Zu sich selbst zu stehen entgegen einer Masse, gegen den Strom zu schwimmen, wenn das Resultat Mobbing, Ausschluss, Gewalt oder Diskriminierung ist.

Als Mann, der mit einem Mann und zwei Kindern zusammen lebt, der in vielem nicht dem typischen Männerbild entspricht, weiss ich, wovon ich schreibe. Weil die Gesellschaft urteilt und alles definiert, habe ich mich oft in Situationen gefunden, in denen ich mich erklärt habe, mich gerechtfertigt habe für meine Lebensweise. Weil ich bin, wer ich bin. Vermeintlich um ein Tabu zu brechen, es den anderen angenehmer zu machen, wenn ich es sage, mich oute. Ich bin schwul, ich bin homosexuell. Setzte mir selber ein Stigma, eine Etikette mit einer Überschrift.

Doch eigentlich habe ich die Meinung der Mehrheit der Gesellschaft verinnerlicht und geglaubt. Dass es falsch ist, unnatürlich, im Widerspruch zur Natur, ein Fehler. Als Jugendlicher und junger Erwachsener dachte ich, es wäre doch einfacher gewesen, wenn ich anders wäre, wenn ich „normal“ geboren wäre. Das hätte mir viel Leid und Schmerz erspart. Weil ich bin, wie ich bin, bin ich weniger wert als die anderen. Es ist eben so, ich habe das oder jenes nicht verdient, mit mir kann man halt so umgehen.. solche negativen Glaubenssätze haben sich verinnerlicht in meinem Unterbewusstsein und liessen mich kämpfen. Gegen ein Bild, das ich kreiert habe und meine Seele vergiftet hat aber vor allem kämpfte ich gegen mich selber. Gegen den Menschen, der mir immer am nächsten sein wird.

Nach aussen offen und mit der Erwartung, dass ich akzeptiert und respektiert werde, verlor ich viel. Energie, Zeit, und vor allem Liebe. Genau das, was ich am meisten gebraucht hätte. Um mich dem nicht zu stellen errichtete ich dicke Mauern um mich herum und mein Unterbewusstsein schützte mich vor Nähe, die ich mir sehnlichst wünschte und vor Verletzungen, die mir angetan wurden, weil ich „anders“ war. Eine Illusion, eine Art Maske hinter der ich lebte. Angst davor, das zu sein, was ich bin. Ich kompensierte vieles indem ich versuchte allem und allen gerecht zu werden. Nahm jegliche Verantwortung auf mich, Anerkennung und Wertschätzung trimmte ich auf Leistung und im Geben. Schwäche zulassen, meine Sorgen mit anderen teilen, Hilfe in Anspruch nehmen, nehmen statt immer nur geben. All dies liess ich nicht zu, drückte es weg. Meine Gefühle, mein Wesen, mein Sein.

Auch wenn ich in meinem Herzen immer wusste, dass all das, wonach ich mich sehnte nur zu mir kommen kann, wenn ich mich dafür öffne und noch viel wichtiger, wenn ich mir das alles gebe, was ich mir von aussen wünsche. Ich mir selber! Ich mich annehme, wie ich bin. Ich und nicht sie. Viele Spiegel und Lehrer waren nötig um mir die Augen zu öffnen. Und es wird wohl immer wieder Spiegel brauchen. So ist das Leben. Auf und ab, Wellen, Veränderung.

Klar und bewusst, dass ich mich in einem Prozess befinde, in dem ich ganz zu mir finden darf, wurde es mir, als ich jemandem begegnete, der meine Welt in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt hat. Plötzlich widersprachen sich gespeicherte Glaubenssätze und Haltungen mit Gefühlen der Realität im Hier und Jetzt. Tiefe Emotionen überschwemmten mein Herz und liessen die Mauern fallen, den Schatz frei, den Schmetterling fliegen. Pur, verletzlich und „nackt“ stand ich nun da. Mit allem, was mich ausmachte. Unsicher, ängstlich, ohne Boden, erschöpft von der selbst auferlegten Last, dem Druck und den Kämpfen mit mir selber gelangte ich zur Essenz. Liebe zeigte mir, dass alles möglich ist. Wenn ich mich selber annehme, wie ich bin. Mich selber liebe, wie ich bin, wer ich bin.

Unglaublich dankbar für alle Spiegel in meinem Leben und für dieses wunderschöne Geschenk, diesem einen Menschen begegnet zu sein. Ja, ich lebe als Mann mit einem Mann zusammen und ja, das ist Familie und ja, das ist Liebe. Wenn ich weiter geglaubt hätte, was ich im Innern gespeichert habe, was die Mehrheit der Gesellschaft „glaubt“, dann hätte ich nie herausgefunden, wie es ist, so aus dem Herzen lieben zu können.
Die Liebe zu leben, aussen und innen, ein Beispiel dafür sein, dass es absolut und völlig okay ist, zu sein, wer man ist und wie man ist. Egal was die Gesellschaft denkt, egal was andere sagen. Du bist du! Du hast die Wahl, wie du über dich denkst. Ich habe die Wahl, wie ich mit mir umgehe. Ich will lieb und nett zu mir sein. Ich will mich lieben, weil ich bin, wer ich bin. Selbstliebe ist der Schlüssel für vieles. Scheine in allen Farben, die du hast, fühle, was du in dir trägst und vor allem liebe, wen du liebst. Und zwar so stark du kannst. Denn dieses Geschenk erhalten nicht viele! Ein Hoch auf die Liebe!! Sie ist die grösste Kraft und macht keinen Unterschied ob gross oder klein, welches Geschlecht wir haben und wer wir sind. Sie ist einfach.